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Die vermeidbaren Tode von Sinzig

In Sinzig sieht es nahe den Ahrwiesen auch fünf Wochen nach der Flutkatastrophe teilweise noch schlimm aus: Es gibt viele Gärten und Hinterhöfe, die immer noch nicht vom Schlamm befreit sind. Schuttberge türmen sich in den Straßen nahe der Ahr, Schulen und eine Sporthalle sind stark beschädigt, große Plastiken liegen grotesk verstreut auf einem Fußballfeld.

An diesem frühen Abend sind die Anwohnerinnen und Anwohner offenbar auf sich selbst gestellt, auswärtige Helfer sieht man nicht.

Ganz in der Nähe ist einer der zurzeit bedrückendsten und traurigsten Orte im Ahrtal: Vor einer Wohneinrichtung der Lebenshilfe finde ich auf dem Gehweg eine kleine Gedenkstätte für zwölf Frauen und Männer mit Behinderung, die hier in der Flutnacht im Erdgeschoss ertrunken sind. „Jesus lebte“ hat jemand schräg gegenüber mit Schlamm auf eine Hauswand geschrieben. Wobei das „e“ am Ende von „lebte“ wirkt, als hätte es jemand anderes nachträglich dazugeschrieben.

Es ist ein verzweifelt trauriger Ort. Denn die zwölf Todesfälle hier sind wohl die vermeidbarsten aller Tode der Flutnacht gewesen. Hier, wo die Ahr in den Rhein mündet, hätte niemand mehr sterben müssen, denn es war sehr viel Zeit verstrichen, seit die Ahr an ihrem Oberlauf so extrem zu wüten begann. Man hätte die Menschen hier warnen können und evakuieren müssen.

Die leeren Hüllen der Kerzen einer kleinen Gedenkstätte für die Verstorbenen etwas oberhalb des Lebenshilfe-Hauses hat offensichtlich der Wind umgeweht. Als ich nach einer kleinen Runde um den Block dorthin zurückkomme, ist eine Frau gerade dabei, neue Andachtskerzen aufzustellen. Und einen Teddybären.

Carmen Molitor

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