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Abreißen oder sanieren?

Abreißen oder stehen lassen? Diese Frage stellt sich an der Ahr und in der Eifel in den Flutgebieten nicht nur bei Privathäusern, sondern besonders schmerzhaft auch bei Gebäuden, die seit Jahrzehnten die Gesichter der Gemeinden prägen und ein Stück ihrer gelebten Kultur repräsentieren.

Die Antworten fallen unterschiedlich aus: In Dümpelfeld stemmten sich Teile der Dorfgemeinschaft erfolgreich gegen den Abriss der alten Steinbrücke über die Ahr, in Müsch dagegen wurde die große alte Schule, mit der ältere Bürgerinnen und Bürger viele Kindheitserinnerungen verbinden, abgerissen.

Auch mit Blick auf die beschädigten Kirchen wird darüber diskutiert, ob man die Kosten für eine Sanierung stemmen will und kann. In der katholischen St.-Pius-Kirche in Ahrweiler sei das auch noch nicht ausgemacht, erzählen mir zwei Mitglieder der Gemeinde.

Die Kirche ist ein Spätzünder der Aufräumarbeiten in der Kreisstadt: Bis vor wenigen Tagen war St. Pius noch knöcheltief verschlammt und gesperrt. Ein Leichenfund und die damit zusammenhängende Sperrung durch die Polizei habe die Reinigung so lange verhindert, erzählen sie sich hier, verstehen aber nicht, warum das eine so lange Sperrzeit erfordert hat.

Ihre Söhne, die sich als Messdiener hier engagieren, hätten darunter gelitten, dass sie in der Kirche nicht mit der Reinigung beginnen durften, erzählt mir eine Mutter, die in Fleecejacke und Arbeitshose auf dem Platz vor der Kirche steht. Als das Gotteshaus auch von ihren Jungs wieder betreten werden durfte, verliefen die Aufräumarbeiten sensationell schnell: Gemeindemitglieder und Gruppen von auswärtigen Helferinnen und Helfern schnappten sich Eimer, Schaufeln, Abzieher und Kärcher und schafften in wenigen Tagen in einer konzertierten Aktion die verkrustete Schlammschicht auf den Hof. Die Polizei spritzte den ganzen Schmodder per Wasserwerfer dann endgültig weg.

Jetzt ist die leeren Kirche wieder sauber und vor der Tür reinigt eine Gruppe von Teenagern aus dem „Haus der Hoffnung“ in Troisdorf die immer noch dick verschlammten Kirchenbänke. Sie tragen weiße T-Shirts mit dem aufmunternden Aufdruck: „Es gibt Hoffnung“. Eine ihrer Hoffnungen sei, eine Weihnachtsmesse in St. Pius feiern zu können, erzählt mir die Mutter der Messdiener.

Aber ob es soweit kommen und sich der rekordverdächtig schnelle Putz-Einsatz letztendlich lohnen wird, ist nicht ausgemacht. Die umliegenden Gebäude der Pfarrei – Kindergarten, Pfarrhaus – müssen aus statischen Gründen abgerissen werden. Auch die Kirche selbst zeige bedenkliche Risse, von denen man aber nicht wisse, ob sie tatsächlich erst seit der Flut da sind, erzählt ein Mann, der 1974 hier geheiratet hat. Es gebe Schätzungen, dass es über eine Million Euro kosten werde, die Kirche dauerhaft zu erhalten. Gibt es dafür wirklich genug Geldgeber – beim Land, beim Bistum Tier? Da hat hier so mancher Zweifel.

Abreißen oder sanieren? Das wird hier in St. Pius und den anderen Kirchengemeinden weiter heftig diskutiert werden. Eins ist klar: Die Flutfolgen werden auch kulturell an der Ahr und in der Eifel Wesentliches verändern.

Carmen Molitor

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