In Antweiler steht der größte Versager der Flutnacht regungslos auf der dreibogigen Bruchsteinbrücke über der Ahr und starrt mit nachdenklichem Gesichtsausdruck talabwärts. Bei der Jahreshauptversammlung an Allerheiligen wird er sich unbequemen Fragen seiner Aktionäre stellen müssen: Wo warst du, als das Wasser kam und so viele Ahrbrücken zerstörte?
„Von insgesamt 112 Brücken im Schadensgebiet sind 35 nutzbar, 17 eingeschränkt benutzbar, 53 zerstört oder 4 teilzerstört“, meldet die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) des Landes. Eine vernichtende Bilanz für einen wie St. Nepomuk, seines Zeichens Heiliger und wichtigster Bet-Influenzer mit Geschäftsbereich Brückenschutz.
Bei ihm kommt man in der Frage des Warum und Wieso der Zerstörung nicht weiter. Er schweigt steinern, dafür ist er berühmt.
In Antweiler zumindest hat er ein bisschen was hingekriegt: Hier ist die Ahrbrücke von 1910, die seinen Namen trägt, nur leicht beschädigt und kann befahren werden.
Antweiler ist nicht so stark zerstört wie viele Orte weiter flussabwärts. Aber auch hier, wo die Dorfgemeinschaft dem Schlamm bald mit vereinten Kräften Herr wurde, herrscht sechs Wochen nach der Flut noch Ausnahmezustand. Die Ahrtalstraße, auf der man nur noch bis zur Abzweigung Eichenbach kommt, ist verdreckt und staubig von den vielen Bagger- und LKW-Fahrten, mit denen der Schutt vom Ahrufer weggefahren werden muss. Der Sportplatz ist zur Müllkippe umgewidmet geworden, Berge von Erdreich und Sperrmüll liegen vor dem Vereinsheim.
Man könne gut noch Helfer mit schwerem Gerät brauchen, sagt ein Mann, der mit Latzhose, Hemd und Sonnenhut ein bisschen an Peter Lustig erinnert und ebenso freundlich, aber doch ungleich ernster wirkt. Irgendwann sollte der ganze Dreck ja mal wegkommen und im Ort wieder ein normales Leben beginnen. „Aber das mit den Helfern wird auch weniger.“
Er sitzt allein an einem Tisch vor dem lädierten Gemeindehaus in der Sonne und isst eines der Mittagessen, das das DRK heute noch mal in den Ort geliefert hat. An zwei weiteren Tischen haben sich ein paar Handwerker niedergelassen, schaufeln ebenfalls ein paar Bissen in sich hinein und führen Pausengespräche. Wie lange das Essen noch gebracht wird, sei ungewiss, erzählt der Mann mir.
Dann wird er gerufen und die Pause ist jäh zu Ende: Ein Helfer braucht Hilfe. Er hat sich bei der Arbeit mit einem Fahrzeug im Matsch festgefahren.